Ingmar Winter schreibt in der Münsterländischen Volkszeitung vom 7.3.2011:
BLUESNOTE BEI LORENBECK
Ein Stelldichein der Karnevals-Flüchtlinge
Zwei ekstatische Gitarristen: Hermann Gauß (l.) und Martin Schroer. (Fotos: Winter)
Rheine. Gut sechzig „Karnevalsflüchtlinge" haben sich am Samstag in Lorenbecks Wirtshaus zum Rockabilly-Konzert mit Party-Stimmung getroffen, das die Bluesinitiative „Bluesnote" arrangiert hatte. Und es war wirklich so: Auf den Karnevalsruf „Rheine Helau!" reagierte das Publikum kaum, aber „Rock´n´Roll!" wurde kreischend bejubelt. Die für den Abend verpflichtete Band gab sich im „Vorprogramm" dem Blues hin, als Tribut so zu sagen an den Namen des Gastgebers in Rheine. Unter dem Titel „Little Red Toasters" war ein Quartett zu hören, das einen nach allen Richtungen offenen Blues spielte.
Und das Ziel wurde schnell offenbar: Nach dem ruhigen Titel „Innercity Blues" war der zweite, „Put your shoe on the other foot", eine sehr eigenwillige Coverversion von Albert Collins, dem wilden New-Orleans-Stil angelehnt. Sowohl bekannte Nummern als auch viele Eigenkompositionen in dieser ersten Konzertstunde waren von scharf kantigem Rhythmusschlag markiert (Marco Niemann am Schlagzeug), von fantastischen Basssoli durch Hermann Gauß und schrillen Akkorden des Keyboarders Kai Warszus bestimmt und vor allem von dem überragenden Gitarristen Martin Schroer beherrscht. Höhepunkt der ersten Programmhälfte war zweifellos die Eigenkomposition „Fire in 7th Heaven", die mit sakralem Orgelton ruhig begann und sich dann in einem irren Gitarrensolo steigerte, bis die Hölle brannte.
Ben Wild: glattpolierter Rock´n´Roll vom Scheitel bis zur Gitarre.
(Fotos: Winter)
Nach einer Stunde ging die Party richtig los! Für zwei Stunden folgte ein Rock´n´Roll-Konzert in der populären Art des Rockabilly der 50er Jahre. Ein Umbau war nicht nötig, die Band blieb, nur der Keyboarder trat aus dem Quartett heraus, man wollte „den Rock´n´Roll durch eine Gitarre verstärkt bieten", sagte Martin Schoer im Vorgespräch. Das Quartett wurde komplettiert durch Ben Wild, der auf die Bühne sprang, ins Publikum ging, zum Mitsingen und -klatschen animierte und zum „Rocken" aufforderte. Und das alles in einer Programmfolge, die Eigenkompositionen, Rock´n´Roll-Klassiker und moderne Popsongs im Rockabilly-Stil mischte.
Ben Wild hat den Vortrag dieser Musikart im Blut: Sein Vater Mal Gray hatte bereits Auftritte mit Bill Haley und anderen Rock´n´Roll-Größen, und was man ererbt von seinem Vater, brachte Ben in begeisterter Manier auf die kleine Bühne. Partylaune entstand bereits bei den ersten Vorträgen, und sie steigerte sich bis Mitternacht, sodass das tobende Publikum Ben Wild und die Band erst nach vier Zugaben von der Bühne lassen wollte.
Aber auch Martin Schoer hielt es nicht auf der Bühne. Erst fand man ihn im Publikum, dann hinter dem Tresen, dann stand er auf einem Tisch und spielte seine Gitarre auf dem Rücken, und dann „rock- und rollte" er auf dem Boden in Breakdance-Figuren, dass das Publikum kreischte.
Verrückt war diese Rockabilly-Party schon, verrückt, wie die Zeit direkt vor Rosenmontag nun mal ist. Beiden Verrücktheiten kann man während der tollen Tage nirgends entgehen.
VON INGMAR WINTER