Ingmar Winter in der Münsterländischen Volkszeitung vom 1.11.10 zu unserem Konzert mit Jessy Martens:
Rheine. „Man soll jedes Konzert mit einer Explosion eröffnen", sagte einst Louis Armstrong - und er hatte in Jessy Martens eine gelehrige Schülerin. Ohne instrumentales Opening stürmte das deutsche Bluestalent („A new voice!") auf die Tholi-Bühne, schnappte sich das Mikro und sang mit ihrer markigen Stimme ihren ersten Song in einem temperamentvollen Tempo, als müsse sie die Verzögerung auf der Autobahn bei der Anreise wieder einholen. Schon nach wenigen Takten kamen die gut 100 Zuhörer in begeistertes Klatschen und in rhythmische Bewegungen, so mitreißend war ihre energiegeladene Bühnenpräsenz von Anfang an.
Die Bluesinitiative Bluesnote hatte „Lady Blues" Jessy nach Rheine eingeladen, die sich seit gut zwei Jahren dem Blues verschrieben hat und ihm jetzt mit aller Leidenschaft nachgeht. Und das tat die nur 1,52 Meter große Frau am letzten Samstagabend mit Kraft und Tiefe, mit einer rauchig beseelten Stimme, die „ganz ohne Pathos gewaltig unter die Haut geht" (Bluesnews Magazin). Gemeinsam mit der Band „Jan Fischers Blues Support" (Jan Fischer, Andrew Krell, Christian Kolf und Martin Friedenstab) brachte sie ein mitreißendes Programm auf die Bühne, abwechselnd in den Stimmungen des Blues, „non stop" in der Präsentation und immer auf das Publikum eingehend („Everybody sing!") .
Jessy begeisterte die vielen Zuhörer mit ihrer vielseitigen Stimme: vom gehauchten Ton bis zur zarten Kopfstimme, vom rockig rauen Timbre bis zum expressiven Pathos, „that's why I'm crying". Die Bandbreite ihrer Stimme wurde wirkungsvoll unterstützt durch den Hamburger Jazz-Pianisten Jan Fischer, der neben der begleitenden Back-ground-Stimme mit hervorragenden Piano-Soli glänzte. Das Schlagzeug bediente Christian Kolf, rhythmisch sehr streng in den Instrumental-Soli orientiert und im Verbund mit unauffällig sicherem Gefühl. Den rhythmischen Grund legte Andrew Krell als Bassist, aufmerksam auf Abstimmung mit der Band bedacht.
Zu einem der Höhepunkte dieses Blues-Konzerts kam es mit dem Gitarristen Martin Friedenstab, der die unterschiedlichsten Stile des Blues mit wirkungsvoller Note färben konnte. Faszinierend die Ballade „Love me like a man", die mit gehauchter Stimme begann, sich dann im Ausdruck steigerte, bis die Gitarre mit Triller und Slides, mit Akkordhaltungen und schnellen Läufen in eine faszinierende Kadenz einbog, die von Jessy mit röhrender Stimme intoniert wurde, „keep on crying, Jessy!" Auch die musikalische Klage „Mama, he treats your daughter mean" war bestimmt durch das geniale Zusammenspiel zwischen Stimme und Gitarre, Jessy Martens und Martin Friedenstab traten in einen Dialog, der zur Begeisterung des Publikums ins komisch Szenische hinüberging.
Am Ende brachte Jessy Martens das in allen Vorankündigungen gepriesene Schlummerlied „Summertime" von G. Gershwin. Auch auf ihrer ersten CD markiert es den Abschluss, hier im Tholi war die Live-Version mit sieben Minuten Dauer in keiner Weise routiniert, sondern mit neuer Leidenschaft gesungen. Im zarten ruhigen Originalton begonnen, drängte Jessy zum gewaltigen Höhepunkt im Stil des Rock-Blues, als ob diese Jam Session selbst gegen Mitternacht keine Ruhe brauche.
Jessy Martens, die stets unruhige „Neue" mit der ausgereiften Stimme, nannte ihre Vision: Im nächsten Jahr können ihre Fans ein Album mit eigenen Songs erwarten.
VON INGMAR WINTER